L’Après-midi d’un faune
Elf Jahre nach der ersten Version beschloss Sasha Waltz, das Stück zu der ikonischen Musik »L`Après-midi d'un faune« von Claude Debussy neu zu schreiben. Sie entwarf eine Videoarbeit und arbeitete eng mit dem finnischen Künstler Tapio Snellman zusammen. Für die Dreharbeiten begaben sich die Tänzer:innen in die unberührte Natur, einen kleinen Bach mit abgestorbenen Bäumen, Schlammflächen an einem Flussufer, eine bunte Wiese mit einem Feld aus lila Lupinen. Eine Lichtung inmitten eines Waldes, silbrige Blätter, die von der letzten Saison übriggeblieben sind. Die Empfindungen auf unserer nackten Haut unter Wasser, der Geruch und die sonnenbeschienenen Schatten und die Geräusche von raschelnden Ästen, Blätter, die die Beine streicheln, wichen einem körperlichen Vokabular und einer Dramaturgie der Fauna. Natur zu sein, von der Natur umarmt und verführt zu werden, in diesem unberührten Zustand eines nackten Körpers, ohne sozialen Status, Hemmungen oder Schuldgefühle zu werden und Freiheit zu spüren.
Wie kann sich ein Körper bewegen, der nicht durch das Verbot der Scham eingeschränkt ist? Ist Unschuld denkbar, ein reines erotisches Feld zu halluzinieren, ist das das Paradies oder eine Illusion? Geschlechter existieren nicht, wenn du diese Sphäre der Freiheit betrittst, die Anziehungskraft ist unendlich in der Hitze eines Sommernachmittags, Insekten summen und ein Knacken liegt in der Luft, kindliche Einfachheit bevölkert die Felder, der animalische Zustand reiner ungebundener Lust entführt uns in das Reich der Fauna und Flora. Eine zeitgenössische Interpretation eines impressionistischen Gemäldes, das uns von der Schönheit träumen lässt.
Die dramatische Struktur folgt der Erfahrung eines Tages in der Natur und wird durch fragmentiertes klassisches Ballettvokabular kontrapunktiert und ironisch gebrochen. Es erinnert an Bilder von Nijinskys Tanz, ohne jemals direkt darauf Bezug zu nehmen. Die Bilder spiegeln sich in den Gewässern des Unterbewusstseins, während die kollektive Vorstellungskraft die immer wieder auftauchende Figur des Fauns enthüllt.
Uraufführung der Neubearbeitung am 27. Juni 2024, Haus der Berliner Festspiele, Berlin
Uraufführung am 26. Oktober 2013, Staatsoper im Schillertheater, Berlin