Die nächste Gastspielreise führt Sasha Waltz & Guests zu den Koproduktionspartnern La Monnaie / de Munt nach Brüssel und an das polnische Nationaltheater Teatr Wielki nach Warschau.
Matsukaze
Oper von Toshio Hosokawa
Libretto von Hannah Dübgen
nach dem gleichnamigen Nô-Spiel von Zeami
Eine Choreographie von Sasha Waltz
La Monnaie / De Munt
Brüssel
6. 7. 8. 9. April 2017
Tickets
Teatr Wielki
Opera Narodowa
Warschau
21. 22. 23. April 2017
Tickets

© Bernd Uhlig
Nô – Ein traumhaftes Spiel
Das japanische Nô-Theater ist ein komplexes Gesamtkunstwerk, das dramatische Dichtung, Gesang, Musik und Tanz vereinigt. Ca. 200 Theaterstücke gehören heute zum Repertoire dieser Bühnentradition, die von fünf Nô-Schulen bewahrt und fortgeführt wird. Der überwiegende Teil der Nô-Stücke stammt aus dem japanischen Mittelalter, bis heute werden sie nahezu unverändert aufgeführt und basieren nicht selten auf noch ältere japanische Legenden und Mythologien.
Die Themen und Handlungen der Texte werden in fünf Kategorien unterteilt: 1. Göttliche Dramen, 2. Männliche Dramen (kriegerische Handlung), 3. Weibliche Dramen (Liebesdramen), 4. Dramen vom Wahnsinn (zeitgenössische Themen) und 5. Ungeheuer-Dramen (Handlungen von Dämonen der japanischen Mythologie).
Tief verwurzelt in japanischen Religionen, Ritualen und kulturellen Traditionen sind auch die Ausstattung und Abläufe der Aufführungen. So ist die Form der Bühne praktisch immer gleich. Von einer Eingangstür erschließt eine schmale Brücke (hashigakari) mit Geländer die im rechten Winkel zu einer ca. 6×6 Meter großen Hauptbühne führt, welche durch vier Pfeiler begrenzt ist. Als Bühnenhintergrund fungiert eine gemalte alte Kiefer, die als Zeichen göttlicher Erscheinung gilt und als Ersatz der heiligen Kiefer am Kasuga-Schrein fungiert. Schon im Mittelalter wurden unter dieser Kiefer sakrale Spiele abgehalten. Die karge Spielfläche ist ein mehrfach markierter Raum, der allen Mitwirkenden (Tänzer, Musiker und Chor) einen festen Platz zuweist und Bewegungsabläufe vorgibt.
Im völligen Gegensatz zur Einfachheit der Bühne stehen die Kostüme, Kopfbedeckungen und Masken der Tänzer. Sie sind an Komplexität und Wert schwer zu übertreffen. Die äußerst prunkvollen Gewänder der Tänzer strahlen eine eigentümliche Schönheit aus und verleihen den Trägern eine majestätische Würde. Sogar das Thema des Dramas kann sich in Farbe, Muster und Schnitt des Kostüms widerspiegeln. Aus die traditionell von Hand gefertigten Masken können handlungsunterstützend wirken. Den ausschließlich männlichen Tänzern erlauben sie in die Rolle einer Frau, eines Alten oder Dämonen zu treten, sie sind so konzipiert, dass sich je nach Neigung der Maske unterschiedliche Gesichtsausdrücke zeigen. Die winzigen Öffnungen der Maske ermöglichen dem Tänzer jedoch nur eine sehr eingeschränkte Sicht, zusätzlich erschwert das hohe Gewicht des Kostüms das Bewegen im Raum erheblich.
Auch der Besucher einer Nô-Aufführung hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Text erscheint kryptisch und erschließt sich erst durch mehrfaches Lesen, die Sprache ist altertümlich und selbst für die meisten Japaner unverständlich. Die Strenge des Ablaufs und die betont langsamen, stilisierten und symbolhaften Bewegungen bedürfen einer Einführung und die chorische Musik erinnert an schamanische Gesänge und Rhythmen, als dass sie zum Verständnis der Handlung beitragen. Vielmehr fühlt sich der Besucher als Teilnehmer eines traumhaften Spiels oder rituellen Gebets und viel weniger als Zuschauer einer dramatischen Handlung. Gründe, weshalb das Nô aus europäischer Perspektive befremdlich, abstrakt und schwer zugänglich erscheinen mag. Vergleichen lässt sich das Nô-Theater mit keiner lebendigen europäischen Theaterform, als multimediales Gesamtkunstwerk lassen sich jedoch Parallelen zur Oper ziehen.
Die zeitlosen Themen der Handlung wie das Überwinden von Anhaftungen, z.B. an eine unglückliche Liebe, die Verbindung von Diesseits und Jenseits oder der Wille zur Reinigung der Seele machen das Nô zeitlos und erklären das ungetrübte Interesse an dieser überaus traditionellen Theaterform. Die Stärke des Nô-Theaters ist ein immer wiederkehrendes Bild von Stille und Kraft, Natur und Mensch. Das Nô führt in ein fernes Erleben.
(Christian Haase)