»Impromptus« im Théâtre National I La Monnaie in Brüssel

Sasha Waltz & Guests ist froh, das für Februar 2015 in Brüssel geplante Gastspiel »Impromptus« an der Brüsseler Oper LA MONNAIE I DE MUNT noch realisieren zu können – zukünftige Entwicklungen für Tanzvorstellungen in Belgiens Landeshauptstadt sind derzeit ungewiss: Zum Ende des vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die Brüsseler Oper aufgrund von Budget-Kürzungen von Seiten der belgischen Regierung u.a. ihr international renommiertes Tanz-Programm einstellt.

 LA MONNAIE I DE MUNT hat dem belgischen Publikum seit 2008 mindestens einmal pro Jahr ein Stück aus dem Repertoire von Sasha Waltz & Guests zugänglich gemacht: »Dido & Aeneas« (2008),  »Gezeiten (2009), »Medea (2010), »Matsukaze (2011), »Continu (2012), »Passion« (2012) und Sacre (2013) erreichten fast 30.000 Zuschauer in sieben Jahren. Das Haus war wesentlicher Impulsgeber und wichtiger Koproduzent für die Werke »Matsukaze« (2011), »gefaltet« (2012) und »Sacre« (2013) von Sasha Waltz.

 LA MONNAIE I DE MUNT war der Compagnie ein langjähriger wichtiger Partner und wir hoffen, dass sich Wege für die Zukunft finden werden.

Impromptus @ La Monnaie I De Munt

 

Pressestimmen:

La Libre, 17. Dezember 2014

The New York Times, 27. Dezember 2014

 

Dorion Weickmann, Süddeutsche Zeitung, 8. Januar 2015:

Belgische Nullkommanix-Diät: Das Théâtre de la Monnaie in Brüssel, eines der renommiertesten Häuser Europas für Ballett und Oper, stellt sein Tanzprogramm ein

Die belgische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker gehört zu den Schweigsameren in der Szene. Sie hasst Interviews, vermeidet Auftritte in Talkrunden und igelt sich völlig ein, wenn sie ein neues Stück austüftelt. Umso erstaunlicher ist darum die Pressemitteilung, die Keersmaeker kurz vor dem Jahreswechsel verbreiten ließ, mitten in den Proben zur Uraufführung von »Golden Hours«. Wie es aussieht, wird die für Ende Januar angesetzte Premiere die letzte sein, die Keersmaeker unter dem Dach und mit Mitteln des Théâtre de La Monnaie in Brüssel ausrichtet. In ihrem Statement erklärt Keersmaeker, warum: »Die Nachricht, dass das Théâtre de la Monnaie sein gesamtes Tanzprogramm einstellt, ist unfassbar. Der Tanz hat stets zur Mission des La Monnaie gehört.« Und die Choreografin zu denjenigen, die davon profitiert haben. La Monnaie unterhält keine eigene Kompanie, sondern arbeitet fest mit handverlesenen Choreografen und Ensembles zusammen, deren Stücke kofinanziert werden. Ein Modell, mit dem das Opernhaus seinen Ruf als erstrangige Tanzbühne über Jahrzehnte hinweg behauptet hat. Dass der zum Sparen verdammte Intendant Peter de Caluwe nun ausgerechnet an dieser Stelle streicht, beschädigt, wie Keersmaeker kritisiert, »die Bedeutung Brüssels als eine der Welthauptstädte des Tanzes.« Recht hat sie. Der Wegfall dieser Bühne und damit des prächtigsten Tanzschaufenster Belgiens wird sich weithin bemerkbar machen. Dass die Choreografin den Monnaie-Chef frontal angeht und nicht die Politiker, die dem Haus bis 2019 Einsparungen von fast sieben Millionen Euro verordnet haben, mag verfehlt erscheinen. Verständlich ist es allemal. Schließlich steht La Monnaie jenseits seiner Bedeutung als zeitgenössische Exzellenzplattform für eine große Tradition.

Waren einst Maurice Béjart und sein epochales »Ballet du XXe Siècle« hier ansässig, so wurden seit den 1990er-Jahren neben Keersmaekers Kreationen regelmäßig Stücke von Sidi Larbi Cherkaoui und Sasha Waltz koproduziert und aufgeführt. Für die drei Künstler und ihre Kompanien bricht nun ein wesentlicher Finanzpfeiler weg, zudem verlieren sie ihre Brüsseler Repräsentanz. Sasha Waltz ist von den fruchtlosen Berliner Diskussionen um die Zukunft ihrer Truppe so zermürbt, dass sie sich derzeit nicht zum Monnaie-Debakel äußern will. Dafür hat Sidi Larbi Cherkaoui kurz nach Keersmaeker reagiert. Belgiens umtriebigster Tanzmacher, der zuletzt als Choreograf für die Uraufführung von Nicholas Lens’ und Nick Caves Oper »Shell Shock“ in Brüssel wirkte, ließ wissen, er sei »enorm bestürzt und traurig«. Zugleich habe er Verständnis für Caluwes Entscheidung – »angesichts der ihm auferlegten Sparzwänge«. Doch die Totalabwicklung des Tanzes ist weder in Brüssel noch sonstwo alternativlos. Vielmehr wird der Sparte eine strukturelle Schwäche zum Verhängnis, die sich auch hierzulande beobachten lässt: Tanzleute beanspruchen keine unabhängigen Machtpositionen, sie begnügen sich mit schlanken Infrastrukturen, oft genug mit Zuschuss- und Spielstätten-Zusagen. So hängen sie eben am Tropf der Oper und sind die Gelackmeierten, wann immer Etat-Einschnitte drohen. Der Erfolg, die Auslastung, der internationale Zuspruch – das alles spielt keine Rolle, wenn das Budget schrumpft und Controller anrücken. Peter de Caluwe hat gegen die Kürzungen protestiert, demissionieren will er offenbar nicht.

Zwar hat er auch dem Barockopernspezialisten René Jacobs den Laufpass gegeben und die Zahl der Musiktheaterproduktionen verringert. Das Kerngeschäft von La Monnaie aber bleibt erhalten. Opernaffine Choreografen können also immerhin noch mit Regieaufträgen Geld verdienen. Sasha Waltz und Sidi Larbi Cherkaoui sind bereits einschlägig unterwegs, der Tausendsassa ist zudem offenbar als künftiger Leiter des Königlichen Balletts von Flandern im Gespräch. Falls daraus etwas wird: hoffentlich nur mit eigenem Haushaltstitel! Am Ende ist das die einzige Garantie gegen die Nullkommanix-Diät, die La Monnaie dem Tanzpublikum zumutet.