Anfang März kehrt der deiteilige »Sacre« Abend nochmals an die Staatsoper im Schiller Theater zurück.
SACRE
Sasha Waltz
Ein Abend in drei Teilen
Staatsoper Im Schiller Theater
Berlin
19. 20. 25. November 2016
Karten: http://bit.ly/sacrestaatsoper
»L’Après-midi d’un faune«
Eine Choreographie von Sasha Waltz
Zu Claude Debussys sinfonischer Dichtung
»Prélude à l’après-midi d’un faune«
Der Nachmittag eines Fauns
Die nymphen ich will sie verewigen.
So schnell
Entschwindet in der luft ihr rosa – leicht und hell
Die dumpfem schlaf erliegt.
Ein traum nur was ich liebe?
Mein zweifel letzter nacht verliert sich in die triebe
Manch jungen baums der mir als wirklichkeit
Bezeugt daß ach! Allein in meiner trunkenheit
Ein falsches ideal von rosen ich erkoren –
Bedenke … (…)
Stephane Mallarmé
»Scène d’Amour«
Eine Choreographie von Sasha Waltz
aus »Roméo et Juliette«
Zu Hector Berlioz’ dramatischer Sinfonie
»Roméo et Juliette«
»Wenn ich zum Beispiel von der Idee des Umarmens ausgehe, gibt es tausend Arten, diese Bewegung zu übertragen. Ich habe die Tänzer gebeten, an etwas zu arbeiten, was ich den „physischen Kontakt“ nenne. Ich habe mir gewünscht, dass die Tänzer zum Beispiel bei einem Pas de deux immer durch einen Körperteil miteinander in Berührung sind, sei es der Fuß oder die Hand, der Kopf, die Schultern… Sie schlagen dann mögliche Wege vor. Danach feile ich daran, verändere und verbessere, ich arbeite wie ein Maler, der mit einer Collage arbeitet.«
Sasha Waltz
»Sacre«
Eine Choreographie von Sasha Waltz
zu Igor Strawinskys Ballettmusik
»Le Sacre du printemps«
Es gilt als eines der Schlüsselwerke der Moderne: Hundert Jahre nach der Entstehung von Igor Strawinskys »Le Sacre du Printemps« beschäftigt sich Sasha Waltz im Auftrag des Mariinsky Theaters mit diesem außergewöhnlichen Werk der Tanz- und Musikgeschichte.
Der Titel wird mit »Das Frühlingsopfer« oder »Die Frühlingsweihe« übersetzt. Die archaisch anmutende, spannungsreiche und kantige Komposition zeichnet sich aus durch eine stark betonte Rhythmik, jähe Einbrüche und die Übereinanderschichtung sich beständig wiederholender musikalischer Motive. Zahlreiche fast geräuschhafte Dissonanzen und der expressionistische Klangeindruck machten das Werk zu einem der bekanntesten Musikstücke der modernen Avantgarde.
Bereits in einigen der früheren Stücke von Sasha Waltz klingen Motive und Themenkomplexe aus »Sacre« an. »Na Zemlje« (»auf Erde«), eine deutsch-russische Produktion von 1999, thematisiert das Verhältnis des Menschen zur Natur und die Natur im Menschen. In »Jagden und Formen (Zustand 2008)« zur Musik Wolfgang Rihms treffen zwei Gruppen in Gestalt der Musiker und Tänzer aufeinander. Ihre Körperlichkeit und Dynamik in der Choreographie korrespondieren mit der Komplexität der Komposition, verdichten sich zu »Jagden« und »Formen«. In »Continu« erforscht Sasha Waltz die archaischen Momente im Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft. Die Choreographie ist geprägt durch die Wucht der Musik von u.a. Varèse und Xenakis und durch das Spannungsfeld choreographischer, musikalischer und bildnerischer Energieströme. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach den Kräften und Dynamiken, die zwischen Gruppen und Einzelnen entstehen können, ob von wuchtiger Gewalt oder leiser Zärtlichkeit geprägt, durch diese Arbeiten von Sasha Waltz. »Sacre« setzt die Reihe fort und erforscht mit 26 Tänzern das Wesen und die Position des Opfers in der Gesellschaft.
Im Kreationsprozess spürte Sasha Waltz den Energien nach, die entstehen, wenn eine Krise in eine Gemeinschaft einbricht. Leben und Tod rücken durch die Bedrohung nah aneinander, der ewige Kreislauf von Sterben und Neubeginn verdichtet sich. Der sich zuspitzenden, unabwendbar scheinenden Bedrohung steht ein Ritus gegenüber, der die Hingabe und die Bereitschaft eines Individuums verlangt, das Opfer für die Gruppe auf sich zu nehmen. In der Dramaturgie Strawinskys diente das Frühlingsopfer der Wiederbelebung der vom Winter leblos erstarrten Erde. Bei Sasha Waltz gilt es nicht nur, das Leben wiederzuerwecken, sondern die Zerstörung der Natur zu sühnen. Gewaltige Kräfte wirken auf die versehrte und brüchige Erde. Die verdrängte Natur manifestiert sich in einer Entfesselung der Triebe des Einzelnen und der Gruppe.
Seit langem interessieren mich archaische Mythen und Riten, die die Macht und erhabene Ordnung der Natur beschwören. In unserer heutigen hochtechnisierten Welt erscheinen Naturgewalten fast nur noch in Form von Katastrophen. Rituale hingegen bilden die zyklische Struktur der Natur ab und thematisieren das Verhältnis des Menschen zu seinen Ursprüngen. Der Glaube und Bezug zu einer höheren Ordnung werden gestärkt, der Einzelne opfert sich zum Wohle der Gemeinschaft. Mit der Choreographie zu »Le Sacre du Printemps« von Strawinsky habe ich die Möglichkeit, diesem Stoff ein ganzes Stück zu widmen.
Sasha Waltz
Januar 2013